unidentified German artist
Sin
circa 1900
oil on canvas, relined
93 x 45 cm
illegibly monogrammed lower left
The Daulton Collection
Discussion:
"In the painting of the late 19th century, the theme of sin is inseparably linked to the name of Franz von Stuck. With the motif of Eve entwined by a snake, the prince of painters created an emblematic work of symbolism and the programmatic icon of aesthetic decadence par excellence. Stuck's Sin was created in numerous versions between 1891 and 1912 and caused a real furore with the version shown at the Secession exhibition in Munich in 1893. It was a motif that made an immense impression on contemporaries. Not least on our painter. In the present painting, too, a snake, as the biblical incarnation of sin, winds itself around a woman's body and stares directly at the viewer with evil, glowing eyes. As in Stuck's earliest version (Voss 60) from 1891/92, the woman is embraced twice by the reptile and the elegantly elongated format is not dissimilar to that first work. But these formal and general thematic similarities are the only similarities. Our artist creates a thoroughly unique work that presupposes Stuck's sin but only echoes it. The painter draws a spiritually-seeming image of remote and cold beauty from the almost monochrome blue nuances. A pale woman with long, dark hair stands upright in the right half of the picture. She is wrapped in a simple shirt and her innocence is symbolically underlined by a white lily that springs parallel to her body from the lower edge of the picture. Opposite her, a second flower grows out of a skull - a twisted mirror image of the white flower - around which the snake's body is draped. Although the iconography with its biblical references obviously flirts with the Christian pictorial tradition, the motif is only superficially religious. Sensual and enigmatic at the same time, the focus is on the moment of temptation, but unlike in Stuck's work, the woman is less the tempter than the tempted. She does not pose any demonic danger, but rather is exposed to it. Neither her upright posture nor the indifferent arrogance of her facial expressions allow us to guess her inner state of mind. This immobility in the face of temptation helps to deepen the mystery and make room for the dreamlike." B
German-language original source:
"In der Malerei des ausgehenden 19. Jahrhundert ist das Thema der Sünde untrennbar mit dem Namen von Franz von Stuck verbunden. Mit dem Motiv der von einer Schlange umschlungenen Eva schuf der Malerfürst ein emblematisches Werk des Symbolismus und die programmatische Ikone ästhetischer Dekadenz schlechthin. Stucks Sünde entstand zwischen 1891 und 1912 in zahlreichen Fassungen und sorgte mit der 1893 in München bei der Secessionsausstellung gezeigten Version für regelrechte Furore. Es war ein Motiv, das einen immensen Eindruck auf die Zeitgenossen machte. Nicht zuletzt auf unseren Maler. Auch in vorliegendem Gemälde windet sich eine Schlange als biblische Inkarnation der Sünde um einen Frauenleib und starrt den Betrachter direkt aus böse leuchtenden Augen an. Wie in Stucks frühester Version (Voss 60) von 1891/92 wird die Frau vom Reptil zweifach umschlungen und auch das elegant langestreckte Format ist jenem Erstlingswerk nicht unähnlich. Doch mit diesen formalen und allgemeinen thematischen Übereinstimmungen erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten. Unser Künstler schafft ein durch und durch einzigartiges Werk, das Stucks Sünde zwar voraussetzt, jedoch lediglich als Echo zitiert. Den fast monochromen blauen Nuancen entlockt der Maler ein spirituell wirkendes Bild von entrückter und unterkühlter Schönheit. Eine blasse Frau mit dunklen, langen Haaren nimmt aufrecht stehend die rechte Bildhälfte ein. Sie ist in ein einfaches Hemd gehüllt und ihre Unschuld wird symbolisch durch eine weiße Lilie unterstrichen, die parallel zu ihrem Körper dem unteren Bildrand entspringt. Ihr gegenüber entwächst einem Totenschädel eine zweite Blume - ein verkrümmtes Spiegelbild der weißen Blüte - um die sich der Schlangenleib drapiert. Obgleich die Ikonographie mit ihren biblischen Referenzen offensichtlich mit der christlichen Bildtradition kokettiert, ist das Motiv nur oberflächlich religiös. Sinnlich und rätselhaft zugleich steht der Moment der Versuchung im Mittelpunkt, doch ist die Frau anders als bei Stuck weniger die Verlockende als die Verlockte. Von ihr geht keine dämonische Gefahr aus, sie ist ihr vielmehr ausgesetzt. Dabei lassen weder ihre aufrechte Haltung noch die gleichgültige Überheblichkeit des Mienenspiels ihren inneren Seelenzustand erraten. Diese Regungslosigkeit in Anbetracht der Versuchung trägt dazu bei, das Mysterium zu vertiefen und dem Traumhaften Platz zu machen." B